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Weiteres Kapitel im Lebensbuch
Wettingen: Bilder und Zeichnungen von Heidi Widmer im Gluri-Suter-Huus
Lynne Faulstroh
«Tages- und Nachtspuren» ist der Titel einer Ausstellung mit Bildern und Zeichnungen von Heidi Widmer, die gegenwärtig im Gluri-Suter-Huus zu sehen sind.
Beinahe wäre diese Ausstellung eine Gedenkausstellung geworden. Die Wohlener Künstlerin und Globetrotterin Heidi Widmer überlebte im Dezember durch einen Zufall in Sri Lanka die todbringende Flut des Tsunami. Nachdem sie einen Monat länger als geplant in dem zerstörten Land geblieben war und dort Hilfe geleistet hatte, mag auch die Bildauswahl der Ausstellung von der Erschütterung des Erlebten beeinflusst worden sein.
Noch findet man aber keine direkten Hinweise auf diese neue Erfahrung, sie sind in den blauschwarzen Balken, welche die feinen roten Fäden in den Bildern der Künstlerin schon seit Jahren abgrenzen, bereits vorweggenommen. Lediglich in den Ölbildern, die sie etwas überarbeitet hat, sind Anklänge an eine noch nicht umgesetzte Erfahrung festzustellen.
Nicht als Markenzeichen will die Künstlerin die roten Fäden verstanden wissen, die in ihren Werken mit spinnwebfeinem Strichwerk die Bildinhalte verbinden. Vielmehr sollen sie Fundament und Resonanzkörper sein, in dem der Herzschlag des Lebens pulsiert. «Rot», sagt sie in einem ihrer Essays, «ist sowohl die Liebe und das Blut als auch der Teufel in seiner Wut.» Farben sind ein wichtiges Element im Werk von Heidi Widmer. Sie nutzt deren ganze Palette als «Kanäle des Lichts», um der psychischen Improvisation grösstmögliches Gewicht zu v erleihen.
So treffen die Besucher und Besucherinnen im oberen Stockwerk der Ausstellung auf eine geballte Macht von Bildern, in denen der rote Faden dominiert. Meist sind es Menschen, die - eingesponnen in die Mauern ihrer Existenz - die Welt und deren unerbittliches Ordnungssystems «erdulden».
Choreografien des Lebens
Dominiert werden diese Choreografien des Lebens durch dunkle Abgrenzungen, welche das Endgültige demonstrieren. Es finden sich hier aber auch helle, fast heitere Bilder. Sie scheinen aus einer inneren Traumwelt aufzusteigen und intonieren einen weiten Raum von Freiheit und Unendlichkeit. Eine Überraschung ist der untere Ausstellungsraum. Hier präsentiert die Künstlerin 60 ihrer «Nacht-Bücher» auf Violinständern. Aufgeschlagen auf jeweils einer Seite - die andere ist frei - tut sich eine Welt der menschlichen Erregungen auf.
Seit vielen Jahren malt Heidi Widmer Nacht für Nacht eine Seite in einem jeweiligen Buch. Diese Skizzen bedürfen keiner Farbe mehr. Sie leben ganz aus dem Strichwerk, in dem sich spontane Reaktionen mit visuellen und seelischen Eindrücken vermischen. Sie erinnern ein wenig an den Chor in griechischen Tragödien, von denen man gehört, aber an denen man nicht teilgenommen hat. In ihrer Würde und Plastizität reichen sie tief in die Schichten von menschlicher Geduld, von Mut und Leidensfähigkeit hinein.
Der grosse englische Bildhauer Henry Moore, dessen Skizzenbücher dem Werk von Heidi Widmer sehr nahe kommen, sagte einmal: «Ich glaube, dass jegliche gute Kunst vom Betrachter eine Anstrengung verlangt. Er darf aber auch von der Kunst verlangen, dass sie seine Lebenserfahrung erweitert.» Dieser Anspruch erfüllt sich in den Bildern von Heidi Widmer.
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Heidi Widmer inmitten ihrer «Nacht-Bücher». |
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