«Wir sahen unermessliches Leid»
Wohlen/Sri Lanka Die Kunstmalerin Heidi Widmer ist zurück und versucht, ihre Erlebnisse zu verarbeiten Fränzi Zulauf (AargauerZeitung, 3.2.2005) «Ich weiss nicht, woher ich diese Kräfte nahm; ich habe ganz einfach gehandelt», sagt Heidi Widmer. «Ich konnte gar nicht anders.» Als Überlebende der Tsunami-Katastrophe reiste sie nicht aus dem verwüsteten Dorf in Sri Lanka ab, sondern brachte Hilfe - den Ärmsten der Armen Ein seltsamer, unerklärlicher Zufall war es, der die Wohler Kunstmalerin Heidi Widmer vor dem Tod durch die verheerende Flutwelle bewahrt hat. Für ihren Aufenthalt in Matara, der am 13. Dezember 2004 begann, hatte sie sich ein Programm auferlegt, das sie mit eiserner Disziplin durchhielt. Dazu gehörten unter anderem: Schreiben nach dem Aufstehen am Morgen; Schwimmen von 9 bis 10 Uhr. Regelmässig, jeden Tag. «Ich weiss nicht warum, aber am 26. Dezember blieb ich zum ersten Mal einfach an meiner Schreibarbeit sitzen und ging nicht an meinen Lieblingsplatz beim Riff, wo ich mich jeden Tag von 9 bis 10 Uhr aufhielt», berichtet Heidi Widmer, noch immer staunend. «War es Zufall, Fügung, Intuition? Ich weiss es nicht. Erst als ich die aufgeregten Schreie hörte - &Mac220;das Meer ist weg!&Mac221; - lief auch ich zum Strand. Einige ahnten das Kommende und warnten. Ich stieg auf das erhöhte angrenzende Gelände. Dann kam die riesige Flut - sie erreichte auch unsere Höhe. Wir rannten um unser Leben.» Danach war nichts mehr so, wie es einmal war. Die schrecklichen Bilder der risiegen Zerstörung gingen um die Welt. Ohnmacht und Hilflosigkeit Wie geht es weiter? «Worte, um das Ausmass an Elend, Leid, Zerstörung nur annähernd zu beschreiben, finde ich nicht. Hunderte von Menschen, Abertausende von Häusern, Mauern, Bussen, Camions, Feuerwehr- und Sanitätswagen und entwurzelten Palmen; Strassen, Brücken eingestürzt, weggeschleudert wie Spielzeuge. Aufgespiesst, aufeinander getürmt, ineinander verkeilt und schlussendlich erstarrt zu Bildern, zu Szenarien des blanken Horrors.» «In Freundschaft verbundene und verankerte &Mac220;Rote Fäden&Mac221; schufen eine rettende Brücke zu den Opfern dieser unbeschreiblichen Katastrophe. Als Zeugin und Überlebende wurde meine Spontanhilfe vor Ort selbstverständlich. Nach einem Monat vollem Einsatz bin ich erschöpft. Sehe, auch angesichts der zunehmenden Gewalt, dass nun der Zeitpunkt gekommen ist, diese Art Hilfe zu unterbrechen. Dann wiederzukommen, um weiter zu helfen, bin ich jetzt schon bereit. Inzwischen bin ich verantwortlich geworden, so etwas wie die Anwältin für die Sprachlosen, für die Ärmsten unter den Armen dieser Gegend.» «Hunger, ungestillter Hunger! Dazu kommt, dass die grossen Hilfen nur bis Tangalle kommen. Ab hier und weiter östlich bleibt die Gegend &Mac220;Hinterland des Himmels&Mac221;. Das ist der Grund, warum wir dieses Versorgungsprojekt nicht abbrechen können. Ausserdem versorgten wir ein ganzes Dorf mit Matratzen, Mosquitonetzen, Schulmaterial, Kochtöpfen, Medizin. Einem taubstummen Schneider, dem nicht einmal eine Schere blieb, haben wir eine Nähmaschine gekauft. Einem Schuhmacher, der ebenfalls nur sein nacktes Leben retten konnte, gaben wir Starthilfe in Form von Material. Voller Freude rief er: «My life start again!» |
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